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TransFormationsLandschaften

Tagung und Ausstellung der DFG-Forschungsgruppe TRANSARA zu Kirchen-Transformationen in Ost- und Westdeutschland

Die interdisziplinäre DFG-Forschungsgruppe TRANSARA zu Sakralraumtransformationen in Deutschland (www.transara.uni-bonn.de) hat ihre vierte Jahrestagung mit Begleitausstellung vom 05.-06. Juli in der Katholischen Akademie Schwerte unter dem Titel »Typologien und Praktiken der Sakralraumtransformation in Ost- und West-Deutschland« veranstaltet (www.transformationslandschaften.de).

Sie präsentierte hier eine Zwischenbilanz der ersten Forschungsphase von 2020 bis 2024 und stellte sie einem interessierten Fachpublikum vor. Prof. Dr. Stefanie Lieb, Studienleiterin für Kunst und Teilprojektleiterin bei TRANSARA, begrüßte am Freitag zusammen mit Prof. em. Dr. Albert Gerhards, dem Sprecher der Forschungsgruppe, das zahlreich erschienene Publikum.

Nach einer einführenden Kurzcharakterisierung der Sakralbaulandschaften in Ost und West sowie des Forschungsansatzes von TRANSARA starteten die ersten Round Tables als Diskussionsrunden der interdisziplinären Verständigung zu den Begriffen SAKRAL und TRANSFORMATION. Im ersten Round Table SAKRAL mit Prof. Dr. Sven Bienert (Immobilienwirtschaft, Uni Regensburg), Prof. Dr. Alexander Deeg (Ev. Theologie, Uni Leipzig), Dr. Ellen Geiser (Kath. Theologie, Uni Bonn) und Dr. Manuela Klauser (Kunstgeschichte, Uni Bonn) wurden die unterschiedlichen Verständnisse des »Sakralen« sehr schnell deutlich und generell in Frage gestellt, ob die Dichotomie von sakral und profan überhaupt bei der Analyse von Kirchentransformationen hilfreich sei oder man vielleicht auf andere Begriffe (z.B. das »Heilige«) zurückgreifen bzw. ganz neue Begriffe kreieren solle?

Der zweite Round Table zu TRANSFORMATION mit Prof. em. Dr. Albert Gerhards (Kath. Theologie, Uni Bonn), Prof. Dr. Stefanie Lieb (Kunstgeschichte, Uni Köln), Dr. Kerstin Menzel (Ev. Theologie, Uni Leipzig),Prof. Ulrich Königs (Architektur, Uni Wuppertal) und Johann Weiß, M.Sc. (Immobilienwirtschaft, Uni Regensburg) legte offen, dass im architektonischen Verständnis bei jedem Gebäude der Vorgang der Transformation bereits »eingebaut« sei, man es bei Kirchenräumen allerdings mit einer Nutzungsengführung zu tun habe, die sich auch in der Raumgestaltung niederschlage. Aus kunsthistorisch-denkmalpflegerischer Sicht sei zu überlegen, welche Transformationsstadien bei Kirchen im Hinblick auf Raumkonzeption und Substanzerhalt zu konservieren seien. Die Liturgiewissenschaft wiederum gab den Hinweis, dass durch den Wandel der rituellen Praxis der Kirchenraum einer Transformation des Performativen unterliege. Last but not least resümierte die Immobilienwirtschaft, dass die Branche momentan den großen Strukturwandel von der Neubau- zur Umbaukultur begleite und hier gerade im Bezug auf Kirchenbauten die Transformationszyklen in ganz neuen, größeren Einheiten berechnen muss.

Die Sektion »Typologien der Sakralraumtransformation« eröffnete am Freitagnachmittag Prof. Dr. Alexander Deeg mit der Vorstellung unterschiedlicher Raumlogiken der Hybridität, die sich an ausgewählten Fallbeispielen aus den Untersuchungsräumen ableiten lassen und die eine vorläufige Systematik hybrider Raumkonstellationen eröffnen. In der Response auf diesen Vortrag stellte Prof. Dr. David Plüss (Ev. Theologie, Uni Bern) online die Frage nach einer Erweiterung dieses Hybridität-Konzepts im Hinblick auf eine genauere Ausarbeitung der Spannungsbögen, die sich bei den hybriden Raumbeziehungen ergeben können.

Prof. Ulrich Königs schloss mit einer Vorstellung der »Trampelpfade und Typologien« aus seinem Bereich des Architekturentwurfs an und charakterisierte die nicht vorhersehbaren Aneignungen von Kirchenräumen und davon ausgehenden Transformationen als »Trampelpfade«. Diese müsse die Architektur wahrnehmen, nur so käme es langfristig zur Entwicklung neuer Typologien und Zyklen der Transformation für Kirchengebäude und ihre Nutzungen, die die Architektur gestalterisch begleitet könnte.

Der von Umnutzung, Leerstand und Abriss besonders betroffene Bautengruppe der Nachkriegskirchen widmete sich Prof. Dr. Stefanie Lieb in ihrem Vortrag zu Transformationsmodellen dieser Kirchen in den Untersuchungsräumen. Anhand der statistischen Auswertung und bauhistorischen Analyse von Nachkriegskirchen aus dem Untersuchungsraum Aachen entwickelte sie eine mögliche Korrelation zwischen Umnutzungstypus und Umbaumodus und stellte mit der Präsentation von Einzelbeispielen für die Folgezeit eine vergleichende Untersuchung zu den Nachkriegskirchen im Raum Leipzig in Aussicht. Die Response von Dr. Hanna Weber (Freiburg) ergänzte diesen Ansatz einer Neubewertung von Nachkriegskirchen-Transformationen, indem sie die Ergebnisse ihrer jüngst abgeschlossenen Dissertation zum Thema »Umnutzung von Kirchen der Nachkriegsmoderne« reflektierte.

Unter dem Titel »Kolumbarien, Kulturzentren und Kitas – gefeierte Liturgie in neuen sozialen Kontexten« referierte Prof. em. Dr. Albert Gerhards, zunächst aus der Geschichte abgeleitet, sowie dann auch angewendet auf aktuelle Kirchentransformationen im Raum Aachen, die komplexen Zusammenhänge zwischen dem liturgischen Ritual im Kirchenraum und den damit zusammenhängenden sozio-kulturellen Entwicklungen und Raumveränderungen. Prof. Dr. Stefan Böntert (Kath. Theologie, Uni Bochum) führte in seiner Response hierzu den aktuellen Vulnerabilitätsdiskurs sowie auch den Synodalen Weg der Katholischen Kirche an, beides Ansätze eines Strukturwandels, in dem die Kirchengebäude und ihre Transformationen einen Platz finden könnten.

Der Abschluss des ersten erfolgreichen Tagungstages wurde mit der Vernissage zur Begleitausstellung »TransFormationsLandschaften« in den Räumen der Akademie gefeiert. Der Jazz-Musiker Luis Weiß ließ hierzu elektronisch bearbeitete »Kirchenklänge« in Kombination mit Flügelhorn zu Ohren kommen.

Den Auftakt am Samstag machte der dritte Round Table zum Thema WERTE, der nach einer kurzen Vorstellung von Prof. Dr. Sven Bienert, Prof. em. Dr. Albert Gerhards, Susanne Hanika, M.A. (Kunstgeschichte, Uni Köln) und Prof. Dr. Stefanie Lieb direkt zu einer regen Debatte unter Beteiligung des Publikums führte, denn das Verständnis des »immateriellen Wertes« eines Kirchengebäudes ist in der Theologie, der Immobilienwirtschaft und der Kunstgeschichte durchaus unterschiedlich ausgerichtet.

Die immobilienwirtschaftliche Perspektive wurde darauf von Prof. Dr. Sven Bienert in seinem Vortrag zu »Social Impact im Quartier« und der damit verbundenen ökonomischen Wertschöpfung nochmals im Hinblick auf Kirchengebäude verdeutlicht. Sabine Georgi von der ULI (Urban Land Institute) reagierte in ihrer Response auf diese Ausführungen, indem sie auf die aktuelle Umbruchsituation auch in ihrer Branche hinwies, und dass alle Beteiligten aufgefordert sind, hier an dem großen Strukturwandel unserer Städte und Dörfer mitzuwirken.

Dr. Kerstin Menzel (Ev. Theologie, Uni Leipzig; Vertretungsprofessur, Uni Halle) führte in der Sektion zu den Praktiken der Sakralraumtransformation abschließend mit ihrem Vortrag zu »Räumlich-materiellen Aushandlungsprozessen« mehrere Beispiele des Verhältnisses zwischen Menschen und Dingen in transformierten Kirchenräumen des Untersuchungsraumes Leipzig an und analysierte die damit einhergehenden Praktiken sowie hybriden Raumkonstellationen.

Die abschließende Tagungsbeobachtung von Dipl.-Ing. Elke Bergt (Ev. Kirche in Mitteldeutschland, Erfurt), PD. Dr. habil. Karin Berkemann (Kunstgeschichte, Uni Greifswald, TU Dortmund) und Prof. Dr. Barbara Welzel (Kunstgeschichte, TU Dortmund) konnte feststellen, dass in Anbetracht des aktuellen Transformationsdrucks, der auf der Kirchenlandschaft in Deutschland lastet, die wissenschaftliche Analyse und Aufarbeitung von TRANSARA dringend notwendig ist und so etwas wie hoffnungsvolle Perspektiven auf eine vermehrte Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten und Zuständigen in diesem Bereich erkennbar geworden sind.

Im optionalen Netzwerktreffen am Samstagnachmittag unter der Leitung von Dr. Manuela Klauser wurden dann in Anlehnung an das aktuelle Kirchenmanifest (www.kirchenmanifest.de) in kleinerer Runde und mit Vertretern aus der Kirchenbaupraxis sowie aus dem kulturpolitischen Bereich mögliche Wege einer Verstetigung von Aktivitäten zum Erhalt von Kirchengebäuden und zur Entwicklung nachhaltiger Transformationsmodelle in Deutschland angedacht.

Stefanie Lieb