Laienspiritualität
Ein Forschungsschwerpunkt der Katholischen Akademie Schwerte in Zusammenarbeit mit dem Titus Brandsma Instituut der Radboud Universiteit Nijmegen/NL
Seit 2004 erkundet eine Gruppe von Wissenschaftlern und Praktikern aus Deutschland, den Niederlanden und Belgien in Schwerte ein Feld, das der wissenschaftlichen Erschließung bislang weitgehend verborgen geblieben war, obgleich es in allen Kulturen und Religionen seit Jahrtausenden präsent ist. Ziel ist die Annäherung an eine Grundform von Spiritualität, die gegenüber den in den Religionen überlieferten Spiritualitätsformen eine Eigenständigkeit bewahrt und kultur- und religionsunabhängig gemeinsame Paradigmen aufzuweisen scheint: Laienspiritualität ist weder abgeleitet aus den offiziellen Spiritualitätsformen einer Religionsgemeinschaft, noch ist sie eine Gegenbewegung zur Spiritualität von Repräsentanten und Amtsträgern einer Religion oder Kirche, wie Priestern/Klerikern und Ordensleuten. Vielmehr sind jene umgekehrt schon vor ihrer speziellen Berufung und Übernahme offizieller Funktionen für eine Religionsgemeinschaft aufgewachsen in familiären Lebenskontexten, die geprägt sind von ursprünglichen und grundlegenden spirituellen Erfahrungen und Vollzügen, die mit dem Menschsein selbst gegeben sind. In diesen ins Menschsein tief eingewobenen, »primordialen« Erfahrungen steht der Mensch mit einer Transzendenz, mit einer göttlichen Wirklichkeit in Beziehung, die als Gegenüber und zugleich als Innerstes erfahren wird. Sofern Menschen sich einer spezifischen Religion zugehörig wissen, legen sie diese primordialen spirituellen Erfahrungen unter Bezugnahme auf die in ihrer Religion gegebenen Lehren, Erzählungen, Symbole und Praktiken aus.
Auf diese primordiale Basis spiritueller Erfahrungen versteht sich jeder Mensch mehr oder weniger explizit, ohne sich dabei auf ein Expertenwissen zu berufen. Gerade in diesem Sinne scheint es angemessen, hier den Begriff des »Laien« einzuführen, der sich vom Spezialisten in Sachen Spiritualität signifikant unterscheidet. Kein Experte zu sein, signalisiert gerade einen positiven Mehrwert: Der Laie gewinnt den Maßstab seiner Spiritualität nicht aus der Übernahme kodifizierten Wissens oder approbierter Lebens- und Denkmuster, wie sie Theologie, Philosophie und Ordensregeln bereithalten. Vielmehr scheinen Innerlichkeit und Ursprünglichkeit wesentliche Elemente von Laienspiritualität zu sein. Sie ereignet sich im ständigen Hin und Her zwischen dem innersten Selbst und dem göttlichen Anderen, in einer unaufhörlichen, immer neu einsetzenden Bewegung, gerade weil man sich nicht auf der gewonnen Erfahrung als einem verfügbaren »Wissen, wie es geht« ausruhen kann.
Was anmuten könnte wie ein ehrgeiziges geistliches Trainingsprogramm, geschieht in Wirklichkeit unspektakulär: Laienspiritualität ist eine Sehweise, die keine besonderen kognitiven Leistungen oder Willensanstrengungen voraussetzt. Sie vollzieht sich nicht im Nachsinnen über…, sondern gewissermaßen beiläufig: im alltäglichen Tun, dem Menschen ganz unhinterfragt spirituelle Bedeutung beimessen.
Seit 2008 nimmt die Forschungsgruppe in den Themen-Bänden der Buch-Reihe »Felderkundungen Laienspiritualität« einzelne Bereiche des zu vermessenden Feldes »Laienspiritualität« in den Blick. Die Beiträge aus unterschiedlichen Disziplinen und Praxisbezügen sind suchende Verortungen, die zu weiteren Reflexionen einladen wollen. Bisher sind folgende Bände erschienen (auch verfügbar als pdf):
Bd 1: Beziehung Bd. 2: Geburt Bd. 3: Wohnen Bd 4: Arbeit Bd. 5: Bild Gottes
Die Reflexionen zum Thema Laienspiritualität haben natürlich auch konkrete Auswirkungen in die Praxis. Dies zeigt sich etwa in einem von der Akademie und dem Edith-Stein-Berufskolleg in Paderborn gemeinsam entwickelten berufs- oder ausbildungsbegleitenden Fortbildungskurs für Heilpädagog(inn)en zur »Eröffnung spiritueller Räume mit Menschen mit Behinderung«.